Urlaubserinnerungen im IC 44
Wir machen es uns auf den bequemen Sesseln gemütlich und werden mit
einer Flasche Wasser begrüßt. Später bietet uns der Steward kostenlosen
Tee oder Instantkaffee an. Wir zahlen gerne den Aufpreis für einen richtigen Espresso, Instantkaffee hat uns schon beim Frühstück nicht weitergeholfen...
Trotzdem
schön, dass wir uns für die 1. Klasse entschieden haben. Im IC 44
fahren wir vom wahrscheinlich hässlichsten Bahnhof der Slowakei,
Poprad-Tatry, in die schönste Stadt der Slowakei, nach Bratislava. Damit
schließt sich nach knapp zwei Wochen der Kreis, der ja eher eine
mehrfache Acht ist als ein einfacher Kreis. Und wir erleben unterwegs
einiges nochmal nach: Štrba, wo wir in die Zahnradbahn in die Hohe Tatra
umgestiegen sind; Liptovský Mikuláš, wo wir in den Bus in die Niedere
Tatra umgestiegen sind; die Stauseen, an denen wir entlang geradelt
sind; Ruzomberok, von wo aus wir in die Hohe Fatra gewandert sind;
Vrutky, wo wir aus Banská Bystrica kommend umgestiegen sind.
Die
Strecke – die wohl wichtigste der Slowakei, immerhin verbindet sie die
beiden größten Städte des Landes miteinander – ist nicht nur mit schönen
Erinnerungen verbunden, sie ist einfach schön. Auch wenn die Berge
heute von Wolken versteckt werden: Es geht durch wunderschöne
Landschaften, u.a. an den Flussschleifen der Waag entlang. Wir hören
unser gemeinsames Hörbuch (Pompeji), genießen im Speisewagen heiße
Schokolade bzw. Tee, amüsieren uns über die fischige Toilette und erspähen aus dem Fenster alte Burgen und moderne
Bahnhöfe. Bahnfahren ist was Schönes.
Leider
bleiben wir nicht ewig in diesem Zug sitzen, nichtmal bis zum
Endbahnhof Wien, sondern steigen in Bratislava Nové Mesto aus. Dort
erwarten uns 8 Grad, Sturm und Starkregen. Igitt, pfui, wäh!
Alte Tatra statt Hohe Tatra
Tatra. Das meint für die einen ein Gebirge in der Slowakei. Und für die
anderen einen Straßenbahnhersteller aus der Tschecheslowakei. Auf dieser
Reise gibt es beides: gestern Abend vom Hotelbalkon aus noch Hohe Tatra. Heute in Bratislava Alte Tatra.
Die
meisten Straßenbahnen in Bratislava sind heutzutage moderne
Škoda-Fahrzeuge (nein, der Straßenbahnbereich wurde nicht von VW
übernommen, VW produziert weiterhin nur Autos und Currywürste). Aber es
gibt sie noch, die alten Tatra-Straßenbahnen. Die runden T3 und die
kantigen K2, jeweils in verschiedenen Varianten. Bei vier verschiedenen
Straßenbahnfahrten in Bratislava hatten wir heute vier verschiedene
Straßenbahntypen, davon drei Tatras. Markus im Straßenbahnhimmel. Nur
das Wetter vor dem Fenster ist die Hölle.
Trocknen und betrinken im EC 131
Bahnsteig 2 des Hauptbahnhofes von Bratislava. Hier hat vor gerade einmal 13 Tagen alles begonnen. Es fühlt sich an, wie wenn es schon
Monate her wäre. Was daran liegen kann, dass es vor 13 Tagen 25
Grad wärmer war... beim ersten Mal auf diesem Bahnsteig haben wir
geschwitzt, heute frieren wir. Es ist einfach nie schön, auf diesem
Bahnsteig auf den Zug zu warten. Und immer muss man viel zu lange
warten.
Irgendwann kommt er
dann doch: eine weiße Vectron zieht laut pfeifend fünf ungarische
Waggons in den Bahnhof. Damit wäre meine Frage endlich beantwortet, ob
der EC Warschau - Budapest aus polnischen oder aus ungarischen Waggons
gebildet wird, sprich: ob wir heute Abend im Speisewagen polnisch oder
ungarisch essen. Es wird also Gulasch.
Nach
der Regenschlacht in Bratislava freuen wir uns auf den warmen,
trockenen Zug. Trocken ist er. Aber bei 8 Grad Außentemperatur läuft
leider nicht die Heizung, sondern die Kühlung... Immerhin gibt es sehr
viel Platz fürs Gepäck, und wir wollen ja eh bald in den Speisewagen, da
wird es was Warmes geben.
Den
ersten, unspektakulären Teil der Strecke kennen wir seit 13 Tagen
schon. Damals sind wir dann Richtung Banská Bystrica abgezeigt und
irgendwann zum Umstieg in den Ersatzbus gezwungen worden. Heute rauschen
wir auf der Hauptstrecke weiter nach Ungarn. Hinter der Grenze erwartet
uns (neben dem Speisewagen) das große Highlight der Fahrt: Das schönste
Flussgelenk Europas, das Donauknie.
Wir
wandern Richtung Speisewagen. Und stellen fest: ab zwei Wagen weiter
ist es wärmer! Das werden wir uns später zunutze machen und in ein
beheiztes Abteil umziehen. Aber erstmal Speisewagen! Völlig
durchgefroren und noch immer mit patschnassen Füßen kommen wir dort an.
Der ungarische Kellner erkennt sofort, dass uns kalt ist und fragt:
"Would you like a Sparenka?" Keine Ahnung, was das heißt, aber wir sagen
sofort ja. Wir wissen nicht, ob er gleich mit zwei Decken oder mit Schnaps
kommt.
Er kommt mit Schnaps.
Zwei kleine Flaschen. Egészségére! Er schenkt ein, wir stoßen an - und
sind instant betrunken. Bis das Essen kommt, habe ich mein Bier auch
schon angefangen und wir sind komplett betrunken. „Uns ist immer noch
kalt, aber jetzt ist uns lustig kalt“, erklärt Julia die Physik des
Moments. „Europa ist, wenn man in einem Zug von Polen nach Ungarn in der
Slowakei tschechisches Bier trinkt“, philosophiere ich. Das Essen -
Szegediner Gulasch bzw. Paprikahähnchen - ist richtig lecker. Das Bier
auch. Beim bezahlen - Julia ist gerade auf der Toilette - fragt mich der
Kellner, ob wir noch einen Schnaps wollen. Im Irrglauben, dass er aufs
Haus bzw. den Zug geht, bestelle ich zwei Schnaps. Also nochmal zwei
Fläschchen, diesmal schwarzer Sherry. Julia kommt von der Toilette
zurück. Ich so entschuldigend: „Ich hab JA gesagt“. Sie so verwirrt: „Hä?“. Ich lasse meine Pupillen nach unten wandern. Ihr Blick folgt
meinem Blick nach unten. Sie denkt sich „Fuck!!!“ und sagt „Oh!“. Dann
trinken wir den Schnaps und sind restlos be- schwipst.
Ich
gebe dem Kellner ein großzügiges Trinkgeld und verstehe erst danach,
dass alle vier Schnapsflaschen auf der Rechnung stehen. Mist, wir haben
mehr Geld für Schnaps ausgegeben als für das Abendessen. Sei es drum,
vielleicht kann er seinem Zug von dem clever generierten Zusatzumsatz
eine Heizung kaufen.
Weil der
Zug 20 Minuten Verspätung hat, sehen wir das Donauknie nicht wie geplant
bei Sonnenuntergang, sondern bei Dunkelheit. Egal, wir sind eh
betrunken. Und richtig gut drauf. Wir schwanken in unser beheiztes
Abteil und besuchen noch unzählige Male die Toilette, bis der Zug
schließlich in Budapest Nyugati einrollt. Gustave Eiffel konnte nicht
nur Türme bauen, sondern auch richtig schöne Bahnhöfe.
Betrunken
verstehen wir ziemlich gut Ungarisch und kaufen innerhalb weniger
Sekunden am Fahkartenautomat 24h-Tickets. Keine Ahnung, was das jetzt
gekostet hat, den Forint-Umrechnungskurs kriegen wir betrunken nicht
mehr hin (zwei Nullen weg und durch vier teilen?!). Aber den Weg ins
Hotel finden wir. Es ist mein fünfter Besuch in Budapest, zum ersten Mal sehe
ich die Stadt doppelt.
Ich liebe Speisewägen.