Frühstück in Deutschland, Kaffee in Belgien, Pommes in den Niederlanden: der dritte und letzte Tag im Dreiländereck zwischen Aachen, Liège und Maaastricht war schön und intensiv. Fehlt nur noch die Rückfahrt. Die starten J., S. und ich um 14:51 Uhr in Aachen. Mit dem Rhein-Ruhr-Express fahren wir an Tagebaugruben und Abraumhalden vorbei nach Köln.
J. und ich konnten uns nicht einigen, welche Strecke wir zurück nach Hause fahren wollen: die ICE-Rennstrecke durch den Westerwald oder die gemütliche IC-Strecke durchs Mittelrheintal. J. hat Variante 1 gewählt (schneller daheim), ich Variante 2 (schönere Strecke). S. wählt Variante 3: er bummelt mit dem Deutschland-Ticket durch das Rheintal und die Pfalz. S. kommt auf jeden Fall am günstigsten nach Hause, J. am teuersten. Aber wird sie wirklich die schnellste sein?
Bei der Einfahrt nach Köln treffe ich zufällig M. mit dem ich mal zusammengearbeitet habe. In Köln selber kommen wir zufällig fast gleichzeitig mit meiner Schwägerin A. an. Bahn fahren ist toll. Ich habe noch nie jemanden zufällig im Auto getroffen oder kennengelernt, in der Bahn passiert das häufiger.
Noch ein leckerer gemeinsamer Espresso am Kölner Bahnhofsvorplatz, dann steigen wir in unsere drei unterschiedlichen Züge. In meinem Fall der Intercity Richtung Tübingen. Ich finde im Obergeschoss einen Fensterplatz an einem Vierertisch, in Fahrtrichtung rechts - ich habe aus dem Fahrplan abgeleitet, dass wir linksrheinisch umgeleitet werden. Rhein und Burgen also am rechten Fenster. Gegenüber von mir platzieren sich Mutter und Tochter. Ich freue mich auf den Blick auf den Rhein – und höre die Tochter gegenüber mit ihrer Mutter tuscheln, ob sie das Sonnenrollo runterziehen darf. "Aber ob der Mann gegenüber das auch will?" - "Musst du ihn fragen!" Sie fragt mich. Ich kann mich nicht dazu überwinden, der Zwölfjährigen ihren Wunsch abzuschlagen. Das war es dann wohl mit der schönen Aussicht.
Kurz darauf fragt sie mich, ob ich mit ihr Mau-Mau spielen will. Mau-Mau ist aber nur von kurzer Dauer: am Nachbartisch wird ein Exit-Game aufgebaut und sie fragt nebenan, ob sie mitspielen darf. Darf sie. Die Mutter und ich sind jetzt also alleine am Tisch. Wir einigen uns darauf, das Sonnenrollo wieder zu öffnen. Jetzt kann ich wie geplant die Fahrt durch das Mittelrheintal genießen, erstmals aus einem Doppelstockwagen-Obergeschoss.
Am Exit-Game-Tisch spielen drei, die vierte liest Hannah Arendt. Das ist Disziplin. Schräg gegenüber echauffiert sich eine ältere Dame, dass sie ihr Hörspiel nicht mehr hören kann, weil die Kinder die Regieanweisungen so laut vorlesen. Die hat nicht so viel Disziplin.
Wider Erwarten erwartet mich nun ein unterhaltsames Hase-gegen-Igel-Rennen: S. in flotten Regionalzügen linksrheinisch, ich im bummelnden Intercity rechtsrheinisch. Ich bin in Köln zuerst gestartet; S. hat mich Höhe Bonn überholt; in Rheinbröhl sehen wir uns erstmals wieder: er sieht am anderen Rheinufer meinen Doppelstock-IC, ich sehe seinen Doppelstock-RRX. Auf dem folgenden Streckenabschnitt ist sein Regionalzug tatsächlich nicht langsamer als mein IC. Hinter Neuwied wechsele ich auf seine Rheinseite, um den planmäßigen Halt am Koblenzer Hauptbahnhof zu erreichen – muss aber bei der Einfädelung auf die linke Rheinstrecke warten, bis S.s Zug den nächsten Streckenblock freigibt. In Koblenz stehen wir auf benachbarten Gleisen. Ich halte nur kurz, S. muss umsteigen auf die Mittelrheinbahn.
Anders als in Köln starte in Koblenz also ich zuerst. Das Rennen ist jetzt wohl entschieden? Nein! Während mein Intercity mit 80 Sachen über den Rhein schleicht, beschleunigt S.s Mittelrheinbahn schnell auf 120. In Spay hat er mich überholt: ich fotografiere seinen Zug nach rechts vorne. S. hat mir mittlerweile auch schon ein Foto von meinem Zug geschickt.
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Mein IC, fotografiert von S. |
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S.s Mittelrheinbahn, fotografiert von mir |
Wenig Verkehr auf der Bundesstraße, aber auf den beiden Bahnstrecken ist die Hölle los. S. und ich weisen uns auf Züge hin, die uns gerade begegnen und erkennen daran, weit wir gerade auseinander sind. Das Elefantenrennen macht uns richtig Spaß.
Vor Boppard habe ich rechtsrheinisch die Innenenkurve, aber S. hat genug Vorsprung, um noch vor mir in die Stadt einzubiegen. Er muss aber in Boppard halten, ich fahre ohne Zwischenstopps weiter – und somit ist das Rennen entschieden: Während S. linksrheinisch immer wieder hält, fahre ich rechtsrheinisch nun ohne Zwischenhalte und Zwischenfälle durch. Ich überhole ihn und bin zuerst an der Loreley. Jetzt ist klar, dass der Hase gegen den Igel gewonnen hat: S. wird mich nicht mehr einholen, ich werde vor ihm in Stuttgart sein.
Was ist eigentlich mit J.? Die ist in ihrem Düsenjet-ICE3neo schon nach Frankfurt geflogen und am dortigen Hauptbahnhof umgestiegen. Im Mittelrheintal kämpfen also zwei Igel gegeneinander, der wahre Hase wird lange vor uns zu Hause sein.
Mir ging es ja aber nicht ums schnellste ankommen, der Weg war mein Ziel. Bacharach, Kaub, Katz und Maus, Rüdesheim: die Strecke durchs UNESCO-Welterbe bleibt weiterhin attraktiv, auch wenn das lustige Elefantenrennen nun entschieden ist. Die Sonne ist kräftig, der Rhein schwächelt: Niedrigwasser im Fluss, im Binger Loch liegen viele Steine.
J. ist um 19:20 Uhr in Stuttgart, ich um 20:51 Uhr, S. um 22:59 Uhr. Alle drei Varianten, aus Köln zurückzufahren, waren schön, alle drei haben einigermaßen fahrplanmäßig funktioniert. Witziger Abschluss-Höhepunkt: zwischen Stuttgart und Esslingen überholt mich mein eigener Zug. Der Intercity will ja noch weiter nach Tübingen. Er hat gewonnen.