Mit dem TGV nach Paris

Der Plan war: meinen Geburtstag in Paris feiern. Das war der Plan in den vergangenen Jahren auch schon. Mal ist es an Corona gescheitert, mal am GDL-Streik. So kommt es, dass ich nach fünf Jahren in Stuttgart noch immer nicht mit dem TGV in gut 3 Stunden nach Paris gefahren bin.

Dieses Jahr setzen wir den Plan endlich um. Wir haben natürlich Puffer eingeplant für Esslingen - Stuttgart, der Abschnitt, der so gut wie nie fahrplanmäßig funktioniert. Puffer einplanen heißt: Der RE5 um 6:09 Uhr. Puh, ganz schön früh aufstehen, nur weil wir der Deutschen Bahn nicht vertrauen...

Kurz vor Erreichen des Bahnhofs, fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges, kommt die Pushmeldung: der RE5 fällt aus. Na toll. Den Zug davor kriegen wir jetzt nicht mehr, dafür hätte die Meldung zehn Minuten früher kommen müssen. Der Zug danach ist der letzte, mit dem wir den TGV kriegen würden. Also kein Puffer mehr. Und umsonst so früh aufgestanden. Es ist jedes Mal das selbe mit der Deutschen Bahn... Ich freue mich auf Straßburg, ab da kann uns nichts mehr passieren. Jetzt heißt es bibbern, dass der MEX um 6:23 Uhr auch wirklich fährt...

Glück gehabt, er fährt. Sogar einigermaßen pünktlich. Stuttgart Hauptbahnhof: Nach 5 Minuten Chaos auf dem Bahnsteig schafft es die Deutsche Bahn auch noch, den Wagenstandsanzeiger richtig zu drehen. SNCF, bitte übernehmen, wir brauchen dringend Professionalität!

Dü-dü-düü. Das Geräusch, das die Durchsagen im TGV ankündigt, klingt nach Urlaub. "Meine Damen und Herren, der Zug fährt in wenigen Minuten ab". Gott sei Dank. Wir machen es uns in den bequemen Sesseln gemütlich, klappen die riesigen Tische aus und freuen uns, nicht ICE fahren zu müssen.

Bis nach Karlsruhe geht es flott voran. Dann quält sich der Hochgeschwindigkeitszug im Stop and Go nach Rastatt und erreicht Frankreich mit 7 Minuten Verspätung.

Ab Straßburg geht die Post ab: Der TGV hat nun seine eigene Schnellfahrstrecke und kann Vollgas geben. Vollgas heißt: 320 km/h. Für die verbleibenden 439 Kilometer nach Paris brauchen wir nur 1 Stunde 45 Minuten. Eine Reisegeschwindigkeit von 250 km/h, davon kann man in Deutschland nur träumen. Wir genießen im Bistro einen Kaffee und  planen, was genau wir uns in Paris in den nächsten Tagen alles anschauen wollen. Aber wir sind viel zu schnell da, um fertig planen zu können.





Vor der Ankunft in Paris entschuldigt sich die SNCF für die Verspätung von 2 Minuten. Süß. Die aus dem maroden deutschen Netz übernommene Verspätung konnte sogar um 5 Minuten verkürzt werden. Wir erreichen um 10:06 Uhr den Gare de l'Est, haben also fast den ganzen Tag - und drei weitere Tage - Zeit für die französische Hauptstadt.

In vier Tagen Paris schlendern wir durch diverse Stadtteile, besuchen den Louvre, entdecken spannende Ecken - und nicht zuletzt fahren wir immer wieder mit der Metro: Am Ende der vier Tage sind wir mit allen 16 Linien jeweils mindestens einmal gefahren. 















Wir sind natürlich nicht nur Metro gefahren, sondern auch Straßenbahn. Zum Beispiel mit der Linie T7 an der Concorde vorbei und mit der T10 am lustigen Neubauviertel Noveos vorbei. Die Ringlinie T3 haben wir sogar aus dem Hotelzimmer gesehen. 





Parallel zur heutigen T3 verlief einst die Pariser Ring-Eisenbahn. Deren alte Gleise habe ich beim Joggen gesehen, in einem der alten Bahnhöfe haben wir gefrühstückt.






Die vier Tage in und um Paris boten noch mehr Pufferküsser-Programm: Wir sind mit dem Tram-Bus-Zwitter "Translohr" (T6) gefahren, mit RER-Vorortbahnen, mit der automatischen VAL zum Flughafen Orly und mit der Montmartre-Standseilbahn. Und selbst Busfahren kann in Paris ein Erlebnis sein, wenn es sich um den vielleicht lustigsten Elektrobus der Welt handelt.






Am frühen Montagabend ist leider Schluss: Wir betreten den altehrwürdigen Gare de l'Est, holen die Rucksäcke aus dem Schließfach und begeben uns zum Gleis. Die Fahrt im TGV Duplex beginnt wenig überraschend pünktlich auf die Minute. Wir trinken den schnellsten Rotwein unseres Lebens: bei 312 km/h stoßen wir auf meinen Geburtstag an. Wir rauschen durch die französische Nacht und erinnern uns zurück an vier wunderbare Tage in der Stadt der Liebe. 




Um 21:04 Uhr kommen wir in Stuttgart an. Pünktlich auf die Minute. Jetzt fehlen nur noch 12 Kilometer bis zur Wohnung in Esslingen. Aber der erste Anschlusszug fällt aus, der nächste hat Verspätung. Es sind minus drei Grad in Stuttgart, außer in einer muffelnden Wartehalle kann man sich nirgendwo hinsetzen. Die deutsche Realität hat uns wieder. Ich träume mich zurück in die wunderschönen Bahnhöfe von Paris. Einer schöner als der andere. Mein persönlicher Favorit ist der Gare de Lyon. Dort haben wir uns heute Morgen im "Le Train Bleu", dem vielleicht schönsten Café der Welt, einen Kaffee gegönnt. Man hat ja nur einmal im Jahr Geburtstag. Endlich habe ich mal den Plan umgesetzt, meinen Geburtstag in Paris zu feiern.