Ist Zug 28042 wirklich tot? Oder: warum ich statt zum höchsten Berg von Rheinland-Pfalz nach Freiburg gefahren bin
Mein 16-Summits-Projekt geht weiter: am 04.01.2024 möchte
ich auf den Erbeskopf, den höchsten Berg von Rheinland-Pfalz, wandern. Um 5:25
Uhr klingelt der Wecker, um 6:23 Uhr startet der Zug nach Stuttgart. Ich hätte auch
später starten können. Aber ich bin zu neugierig auf den Zug SVG28042, um
länger zu schlafen und möchte mit ihm nach Heidelberg fahren. „Beförderer:
Schienenverkehrsgesellschaft Stuttgart (SVG); zusätzlicher Zug; Panoramawagen.“
Das sind die drei Infos, die man im DB Navigator findet. Abfahrt Stuttgart Hbf.
6:55 Uhr, Ankunft Heidelberg 7:30 Uhr, danach über Karlsruhe und Freiburg
weiter nach Basel. Keine weiteren Zwischenhalte. Aber er wird angezeigt, wenn
ich „nur Nah-/Regionalverkehr“ auswähle. Was ist das für ein Zug? Das Internet
weiß es nicht, auch auf der Website des Betreibers SVG(Schienenverkehrsgesellschaft)
findet man keine Info zu diesem Zug.
Es ist bestimmt ein Fehler der App, den Zug als normalen Nahverkehrszug
auszuweisen, ich denke nicht, dass ich mit dem Deutschland-Ticket einfach
einsteigen darf. Aber wenn es wirklich eine historische Rheingold-Garnitur ist,
dann zahle ich dafür gerne extra.
Ankunft in Stuttgart Hbf. Die Vorfreude ist groß. Laut App fährt der Zug auf
Gleis 7. Da steht noch kein Zug. Bei den Anschlusshinweisen wird der Zug nicht
angesagt, auf den Abfahrtsanzeigern wird er nicht angezeigt. Der nächste Zug
auf Gleis 7 ist angeblich der IRE nach Karlsruhe um 6:59 Uhr. Bin ich einer
Ente aufgesessen? Hat mich die App veräppelt? Eine Bahnmitarbeiterin sagt nein,
ihren Informationen nach gibt es den Zug. Ich soll mal auf Gleis 7 warten. Sagt
sie und verschwindet.
Auf Gleis 7 bildet sich eine Menschentraube um einen Go Ahead-Mitarbeiter. Alle haben das selbe Problem: Sie suchen Zug 28042. Der Go Ahead-Mitarbeiter verweist auf das Reisezentrum der Deutschen Bahn. Da war einer aus der Menschentraube bereits und hat erfahren, dass der SVG-Zug schon abgefahren ist. Zwei unterschiedliche Mitarbeiter des selben Konzerns am selben Bahnhof geben zum selben Zug also völlig unterschiedliche Auskünfte. Keine Ahnung, welche stimmt. Wie so oft bei der Deutschen Bahn. „Diesen Zug gibt's nicht, dieser Zug ist tot.“ Ein bisschen fatalistisch, aber wahrscheinlich hat der Go Ahead-Mitarbeiter Recht.
Auf dem Nachbargleis fährt jetzt der Flixtrain nach Berlin ein. Der würde mich auch schnell nach Heidelberg bringen, aber ohne Panoramawagen und nicht mit dem Deutschland-Ticket. Ich entscheide mich für den Go Ahead-IRE nach Karlsruhe, von dort komme ich auch weiter nach Rheinland-Pfalz. Ich mache es mir im IRE, so gut das die Sitze ermöglichen, bequem.
Im Zug noch folgende Aufklärung: ein anderer Fahrgast, der den SVG-Zug nehmen wollte, hat von der DB-Hotline erfahren, dass dieser deutlich früher abgefahren und mittlerweile in Heidelberg ist. Vielleicht gibt es ihn also doch?!
Zwei weitere wütende Fahrgäste, die mit dem SVG-Zug nach Heidelberg wollten,
wundern sich über den Flixtrain auf dem Nachbargleis: „Die Flixtrain-Hotline
hat uns vor ein paar Tagen gesagt, dass es den Flixtrain nach Heidelberg heute
nicht gibt!“ Da kann ich weiterhelfen, ich habe ja vorhin auch nach
Alternativen nach Heidelberg gesucht: „Wenn man in der Flixtrain-App Zielort
Heidelberg eingibt, wird der Zug nicht angezeigt – aber wenn man Zielort Frankfurt
eingibt, kann man ihn buchen, mit Zwischenhalt in Heidelberg!“ Die zwei
bedanken sich. Ich fürchte, dass sie beim nächsten Mal trotzdem lieber wieder
Auto fahren und sich so ein Chaos nicht noch einmal antun. Was sehr schade ist:
Nur beim Bahnfahren wird das Hirn schon zu früher Stunde so intensiv aktiviert –
und man kommt schnell mit anderen Menschen in Kontakt.
Ich mache auf der Fahrt nach Karlsruhe noch ein Nickerchen. Und träume davon,
im Rheingold-Panoramawagen über die Schnellfahrstrecke zu fahren.
Bahnhof Karlsruhe: Ich will umsteigen auf den RE nach Neustadt (Weinstraße),
Abfahrt 8:05 Uhr von Gleis 1. Neugierig werfe ich vorher einen Blick auf die
Abfahrtstafel: Er lebt! Zug 28042 ist nicht tot. Er soll um 8:17 Uhr auf Gleis
4 fahren. So, wie es im DB Navigator steht. Spontan entscheide ich mich, meine
Reisepläne zu ändern: Die Neugierde auf Zug 28042 ist größer als die Vorfreude
auf den höchsten Gipfel von Rheinland-Pfalz. Nummer 11 von 16 kann noch warten.
Freiburg ist ja auch schön, und da wurde kürzlich eine Straßenbahnstrecke
eröffnet, die ich noch nicht kenne...
Ein lauter Schrei weckt mich aus meinen Gedanken: „Gleis 7! Gleis 7!“
Tatsächlich, die Ansage bestätigt zwei Minuten vor Ankunft des Zuges, dass er
auf einem anderen Gleis ankommt. Eine kleine Menschenmenge hetzt über die
Treppe. Kurz nach uns kommt auf Gleis 7 tatsächlich Zug 28042 an. Allein: E03
und Rheingold-Panoramawagen gab es nur im Traum. In der Wirklichkeit des
Karlsruher Hauptbahnhofs dieselt eine 218er derNeSA Eisenbahn-Betriebsgesellschaft Neckar-Schwarzwald-Alb mbH
ein paar n-Wagen (die mit den schrecklichen Türen, bei denen man den Hebel
runterziehen und dann ganz fest ziehen/drücken muss) in die Halle. Die Lok ist
Baujahr 1973, die Waggons vermutlich nicht viel jünger. Die meisten Fahrgäste
schon. Es fahren überraschend viele Pufferküsser mit, die genau diesen Zug
nehmen wollten. Ich bin nicht allein.
„Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, werdet ihr mich irgendwo in diesem Zug finden.“ Die ehrlichste Schaffnerin aller Zeiten wünscht eine gute Fahrt. Der Wagen ist zwar ziemlich kalt, aber deutlich bequemer als alles, was heutzutage produziert wird.
„Das ist ein Fehler von der DB, die Trasse war auf 5:55 Uhr bestellt“, erklärt mir die nette Schaffnerin. Sie lässt sich meinen Screenshot aus dem Navigator zeigen und ist überrascht von meinem Bericht, was um 6:55 Uhr am Stuttgarter Hauptbahnhof los war. Von einem Panoramawagen weiß sie auch nichts. Dass diese Rumpelkiste nicht in 35 Minuten von Stuttgart nach Heidelberg fahren konnte, ist klar, 95 Minuten sind realistischer. Aber wer rechnet schon mit so einer Rumpelkiste, wenn man ihm für 6:55 Uhr einen Panoramawagen verspricht...
Immerhin: Ohne Zwischenhalt von Karlsruhe nach Freiburg, mit dem Deutschland-Ticket. Das kann ich so schnell nicht nachholen. Den höchsten Gipfel von Rheinland-Pfalz schon.
P.S.: Ich werde heute auch noch das Stadtbahnnetz von Karlsruhe komplettieren und eine neu eröffnete Straßenbahnstrecke in Mannheim fahren, somit bin ich nun sämtliche im regulären Personenverkehr betriebenen Eisenbahn- und Straßenbahnstrecken in Baden-Württemberg gefahren. Highlight des Tages ist aber der Arabica-Espresso im TGV, den ich mir zwischen Karlsruhe und Mannheim gönne.