Den kompletten Reisbericht aus Japan (samt mit Nicht-Eisenbahn-Texten) findet man hier.
Ankunft in Japan
Nach dem anstrengenden Nachtflug mussten nicht nur wir unsere Knochen durchzählen, auch das Flugzeug musste durchgecheckt werden. Ergebnis: 3 Stunden Verspätung – ohne, dass uns das irgendwann jemand mitgeteilt hätte. Aber nun haben wir Etihad endlich hinter uns und Japan liegt vor uns.Im Flughafen trennt sich die Spreu vom Weizen: Einheimische (alt, kantig, ruhig, höflich) ordnen sich in der rechten Schlange ein, Ausländer, insbesondere Chinesen (jung, rund, laut, unhöflich) in der linken.
Das erste Abendessen in Japan hätten wir ohne Andreas so nie gefunden. Ohne ihn wären wir auch nicht in einen Hochhausturm gefahren, um vom Klo aus auf Nagoya zu schauen.
Vieles hat man vorher gelesen, und doch überrascht es einen, wenn es dann WIRKLICH so ist. Zum Beispiel, dass die Shinkansen-Züge auf den Zentimeter genau stehenbleiben und auf die Sekunde genau weiterfahren. Die erste Shinkansen-Fahrt ist natürlich etwas ganz Besonderes. Und was bleibt ganz besonders hängen? Dass es im Shinkansen Pissoirs gibt.
Ich hab dich gesehen, Signal!
Es gibt viele japanische Eigenheiten, von denen man vor der Reise gelesen hatte und sich dachte: „A-ha, interessant“. Wenn man diese Eigenheiten dann vor Ort beobachtet, denkt man sich: „Krass, die machen das wirklich!“ Die Japaner drehen zum Beispiel wirklich durch, sobald sie den Fuji sehen. Da vergessen sie kurzzeitig ihre Sonnen-Allergie, öffnen das Verdeck und knipsen durch das Zugfenster auf den weißen Vulkan.Viel witziger: Japanische Lokführer grüßen tatsächlich Signale. Zumindest sieht das so aus (siehe hierzu mein kurzes Video). Mit ihren weißen Handschuhen deuten sie auf Signale und die Streckentabelle an der Frontseite der Fahrerkabine und kommentieren dabei ihre Tätigkeit: „Geschwindigkeit auf 80 km/h reduziert“; „gelbes Vorsignal gesehen“. Der angebliche Hintergrund: Untersuchungen haben gezeigt, dass Lokführer ihre Arbeit konzentrierter und somit für die Fahrgäste sicherer verrichten, wenn sie selbige lautstark kommentieren. Ein deutscher Lokführer würde deshalb wohl noch lange nicht anfangen, mit Signalen zu reden. Der homo japanensis, eine bedauernswerte Mischform aus Mensch und Roboter, macht aber natürlich das, was ihm der Vorgesetzte befiehlt. Und dazu gehört bei der japanischen Bahn eben: mit Signalen kommunizieren. Oder, falls man ein Schaffner ist: Jedes verdammte Mal, wenn man einen Waggon betritt oder verlässt, sich vor den Fahrgästen verbeugen. Das ist unglaublich höflich und eine wunderbare Geste. Aber es wirkt auf einen Europäer irgendwie, wie wenn da ein dressierter Hund arbeiten würde.
Kunst-Shinkansen
Ich bin schon viele Züge gefahren, und ich habe schon viele Kunstwerke gesehen. Aber mit einem 220 km/h schnellen Kunstmuseum bin ich noch nie gefahren. Es ist wunderbar, dass die Japaner so wundervoll sinnloses Zeug erfinden…Hokkaido - Wie in einem anderen Land
Hokkaido, die nördliche japanische Hauptinsel, ist durch den 54 Kilometer langen Seikan-Tunnel mit Honshu verbunden. Seit 2016 fahren auch Sinkansen-Züge durch den Tunnel, sodass zumindest das im Süden der Insel gelegene Hakodate schnell und einfach zu erreichen ist. Weshalb wir heute einen Tagesausflug auf die Nordinsel gemacht haben. Allerdings ist der Seikan-Tunnel scheinbar das einzige, was Honshu und Hokkaido verbindet: Wir hatten von Anfang an das Gefühl, in einem völlig anderen Land gelandet zu sein. Das Wetter ist anders (Schnee, Dauerregen, Gewitter), die Dörfer und Felder schauen anders aus; Hakodate mit seinen maroden Straßenbahngleisen und hässlichen Häuserschluchten schaut eher nach Sowjetunion aus als nach Südjapan; die Tageskarte für die Straßenbahn (50 Jahre alte Waggons tanzen und quietschen mit maximal 30 km/h durch die Stadt) ist keine elektronische Chipkarte, sondern eine Art Rubbellos, bei der der richtige Gültigkeitstag freigekratzt werden muss.Der schönste Teil von Hakodate ist das sogenannte Ausländerviertel, in dem noch schöne Holzhäuser aus dem 19. Jahrhundert erhalten sind. Die Fachwerkhäuser und die katholische Kirche sind zweifelsohne schön – aber wie gesagt: Man fühlt sich wie in einem anderen Land.
Dass dieses andere Land vermutlich Deutschland ist, wird spätestens beim Umstieg in Shin-Hakodate-Hokuto deutlich: Da wird der Gegenzug aus Sapporo mit einem Hinweis angekündigt, von dem ich in Japan bislang nicht wusste, dass es ihn gibt: der Zug hat Verspätung! Und zwar gleich 30 Minuten. Das ist mir eindeutig zu deutsch. Nichts wie zurück nach Honshu.