Seit ich 2008/2009 in Wien gewohnt hatte, besuche ich die Stadt immer wieder gerne - und sammele natürlich Straßenbahnstrecken, die in der Zwischenzeit gebaut wurden.
Angefangen
hat es mit "ganz normalen" Sightseeingtouren. Später habe ich dann
Freistunden zwischen Univeranstaltungen genutzt, um neue Strecken und
somit neue Ecken der Stadt zu erkunden. In den letzten Wochen war es
dann ein Sammeln der letzten Streckenabschnitte, die noch fehlten. Jetzt
kann ich behaupten, dass ich das gesamte Wiener Straßenbahnnetz
abgefahren bin. Das kurze Stück zwischen Praterstern und Radetzkystraße
nur im Schienenersatzverkehr, die restlichen 178km wirklich in einer
"Bim", wie man Straßenbahnen hier bekanntlich nennt. Wien verfügt (nach
Melbourne, St. Petersburg und Berlin) über das viertgrößte
Straßenbahnnetz der Welt. Wenn man sich die Streckendichte in der
Innenstadt betrachtet, kann man sich gar nicht vorstellen, dass das Netz
sogar einmal fast 300km lang war. Der Lektüre des Buches "Die Wiener Straßenbahn"
von Wolfang Kaiser habe ich es (neben einem erweiterten Wissen über die
Geschichte von Wien im allgemeinen und des öffentlichen Nahverkers im
speziellen) zu verdanken, dass ich weiß, wo früher noch überall
Straßenbahnen gefahren sind. Zum Beispiel in der Burggasse. Oder in der
Mariahilfer Straße, dort sogar bis 1993, also bis zur Eröffnung der U3
zum Westbahnhof. Am meisten überrascht hat mich die Tatsache, dass auch
der Bus 13A einmal eine Straßenbahnlinie 13 war. Der Blick auf meinen
historischen Stadtplan verrät, dass diese Strecke tatsächlich u.a. durch
Strotzigasse und Neubaugasse führte, bei deren Steigungen man sich gar
nicht vorstellen kann, dass da einmal eine Bim gefahren ist. Aufgrund
der chronischen Überlastung und Unzuverlässigkeit der Linie 13A gibt es
auch ernsthafte Überlegungen, die Bim auf dieser Strecke
wiederzubeleben. Warum auch nicht, die Zeit der "autogerechten Stadt"
ist schließlich auch in Wien glücklicherweise vorbei.
Was
hat es mir jetzt eigentlich gebracht, dass ich das ganze
Straßenbahnnetz abgefahren bin? Ich habe viele Ecken der Stadt gesehen,
die selbst viele Wiener noch nicht kennen; habe in gemütlichen alten
Urviechern von Straßenbahnfahrzeugen gesessen, die man heutzutage nicht
mehr so häufig findet (wo gibt es in Deutschland schon nach
Straßenbahnen mit Holzboden und Kieskasten?); habe viele verschrobene
Menschen gesehen und gehört; verfüge über die nötige Grundgesamtheit, um
meine Lieblingsstrecke zu küren (eindeutig der 9er, gefolgt vom 5er und
dem D-Wagen); und mein Lieblingsfahrzeug (der gute alte c3-Beiwagen).
Und ich kann im Blog behaupten, das gesamte Wiener Straßenbahnnetz
abgefahren zu haben.